Spätestens mit ChatGPT und Midjourney hat sich deutlich gezeigt, dass KI große Bereiche des Arbeitsalltags in der Kreativbranche nachhaltig transformieren wird. Deshalb möchte ich mich hier mit der Frage beschäftigen, welche Potentiale es für den Einsatz von KI im UI/UX- Bereich gibt.
Ein Blick in die Zukunft
Auch wenn der auf dem Screenshot dargestellte Prozess mit einem Augenzwinkern zu lesen ist, ganz so abwegig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist diese Zukunftsvision nicht. Anders gesagt: ein Prozess, bei dem ein „bloßer“ Prompt per Klick eine optimierte, getestete Website erstellt, die direkt live geschaltet werden kann, war vor einem Jahr wahrscheinlich noch reine Science Fiction, heute kann ich mir dagegen schon gut vorstellen, wie die rasante Entwicklung von KI uns in absehbarer Zeit dorthin führt.
Meine Erfahrungen mit dem Stand der Technik sind daher, sofern sie nicht seit dem Verfassen dieses Beitrags völlig von den aktuellen Entwicklungen überholt wurden, als Schnapschuss zu verstehen – keinesfalls als generelle Skepsis gegenüber dem Potential von KI.
Morgen schon heute?
Mit welchen Tools sich KI heute schon in den täglichen UI/UX-Workflow integrieren lässt, ist eine Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist, wie man glaubt. Viele Tools werben mit KI-Features, doch nur wenige bieten diese schon nutzbar an. Oft findet man nur ein „Coming Soon“ im KI-Tab der Software. Es gibt aber eine Hand voll Tools, die auch jetzt schon über KI-basierte Funktionen verfügen.
Für mein erstes Szenario – ein Screendesign via Textprompt erstellen – habe ich Framer und Uizard verwendet. Die Erstellung des Prompts für die Design-Apps habe ich an ChatGPT delegiert. Nach einigen Anläufen bekam ich so folgende Ergebnisse für den erstellten Prompt.
Beide Apps haben dabei mit jeweils eigenen Limitationen zu kämpfen. Während Framer relativ cleane, editierbare Layouts liefert, die sich unabhängig vom Prompt aber alle stark ähneln, geht Uizard zwar spezifischer auf die gemachten Angaben ein, die Ergebnisse sind dafür aber unsauberer und immer noch sehr formelhaft aufgebaut. So bestand die gesamte Landingpage im Grunde aus einem Text-Bild-Element, das kaum nennenswert mutiert wurde.
Bei erneutem Generieren basierend auf demselben Prompt blieb Framer sehr nahe an den früheren Ergebnissen. Bei Uizard gab es eine gewisse Varianz, was Elemente betraf, aber das Design blieb relativ ähnlich, wie im Ausgangsentwurf.
Ein neuer Ansatz
Trotz dieser durchwachsenen Ergebnisse verfügen aber sowohl Uizard als auch Visily.ai über ein Feature, das sehr brauchbare Resultate liefert und sich sehr gut in den UI/UX-Workflow integrieren lässt. Das beschriebene Feature ist die Skizzen-/Bilderkennung. Damit kann die eingescannte Skizze einer Website, wenn sie bestimmten Regeln folgt, erkannt und in eine editierbare Version der Website verwandelt werden. Ebenso kann man den Screenshot einer (fremden) Website als Basis nehmen und diesen in eine editierbare Version umwandeln.
Perfekt funktioniert auch dieses Feature in keinem der beiden Programme, aber als Startpunkt für erste Mock-Ups sind die Resultate allenfalls geeignet. Anstatt mit zehn recherchierten Screenshots den Designprozess zu beginnen, kann direkt mit der Kombination ausgewählter Elemente ein erster Prototyp entstehen. Noch besser funktioniert dieses Vorgehen, wenn man die recherchierten Best-Practice-Cases mit dem Wireframing-Feature kombiniert. Sowohl Uizard, als auch Visily.ai erlauben es per Klick zwischen High Fidelity und Low Fidelity Modus (Wireframe) umzuschalten.
Die Probleme und Unschärfen, welche bei der Umwandlung von Bildern in editierbare Websites entstehen, sind deutlich weniger störend, wenn man sie durch die abstraktere Linse des Wireframe betrachtet. Mit dieser Vorgehensweise lassen sich schnell die besten Elemente aus der Recherche zu einem Prototypen zusammenstellen, ohne dass die Ästhetik der Inspirationsseiten zu sehr durchschlägt.
Ein (realistischerer) Blick in die Zukunft
Meine anfänglichen Hoffnungen oder Befürchtungen, dass das Erstellen von Websites zum bloßen Verfassen von Prompts verkommen könnte, haben sich definitiv (noch) nicht bestätigt.
KI-Tools sind in der Erstellung von Websites momentan noch kein Ersatz für empathische UI/UX-Designern:innen, bieten aber dennoch Möglichkeiten, den Designprozess zu bereichern: sei es via ChatGPT in der Basis-Recherche oder via UIzard und Co. zu Beginn des Layout-Prozesses. Was mir aber in jedem Fall klar wurde ist, dass die Zukunftsvision, die in der KI den gesamten Prozess durchdringt, weniger eine Vision ist, als eine logische Konsequenz der Entwicklungen, die ich heute schon erleben konnte.